In der abgelegenen Bauerschaft Nordbrock im Kirchspiel Dingden kochten seit Wochen die Gerüchte. Der Magd Johanna Triptrap sollen schlimme Dinge widerfahren sein. Eines Abends war die junge Frau dann plötzlich verschwunden.
Bauer Theodor Ketteler war gerade aus Rhede auf seinen Hof in Nordbrock zurückgekehrt, da wurde er von seiner aufgeregten Magd Gertrud Gröneboom empfangen. Eigentlich war die 32-Jährige schwer aus der Ruhe zu bringen. Sie hatte die Aufgabe, die stetig wachsende Kinderschar im Hause zu beaufsichtigen. Anders an diesem Montagnachmittag um etwa 17 Uhr. Die andere Magd des Hofes, Johanna Triptrap, sei nicht aufzufinden, berichtete Gertrud ihrem Dienstherrn.
Einige Stunden zuvor soll die 25-Jährige Johanna dem Knecht Clemens Tepass noch Kaffee zum Feld gebracht haben, war aber seitdem nicht mehr gesehen worden. Ketteler schien dies nicht weiter zu beunruhigen. Irgendwo ums Haus oder in der Nachbarschaft würde sich Johanna schon herumtreiben. Seine Frau, Josepha Färber, machte sich zu dem Zeitpunkt bereits Sorgen. Den Tag über waren die ältestens vier Kinder und das Gesinde alleine auf dem Hof gewesen.
Schon am frühen Morgen – es war der 16. August 1875 – hatte sich Ketteler auf den Weg nach Rhede gemacht, um Besorgungen zu verrichten. Ketteler verstand sich mehr als Oekonom denn als Bauer. Der Hof Stamm war schließlich einer der ältesten und größten Höfe im Kirchspiel Dingden. Der größte Teil des Grundbesitzes bestand aus Wald, was den Hof von anderen unterschied. Und so lag das Anwesen inmitten der Wälder, abseits und versteckt.
Kettelers Frau Josepha war an diesem Montag ebenfalls unterwegs. Sie hatte den Tag über in Wesel zu tun. Der 17-jährige Knecht Theodor Gröneboom hatte sie und ihre beiden jüngsten Kinder mit dem Kutschwagen in die Stadt gefahren. Vor gerade einmal drei Woche hatte Josepha ihr sechstes Kind entbunden.
Theodor Wilhelm Ketteler wurde 09.11.1831 in Nordbrock geboren. Seine Eltern waren Johann Albert Ketteler (*05.03.1804 +18.09.1865) und Anna Katharina Stamm, *07.11.1803 +16.06.1872
Josephina Gertrud Färber wurde am 06.05.1848 in Bocholt geboren. Ihre Eltern waren der Gerichtsbote Hermann Clemens Karl Färber und Josephina Philippina Drueslein.
Theodor Ketteler und Josephina Färber heirateten am 29.01.1867 in Dingden. Die Eheleute hatten neun Kinder:
- Anna Hermina ✶21.08.1868
- Albert Gerhard ✶19.10.1869
- Josephine Christina ✶11.06.1871
- Bernhard Albert Hermann ✶12.03.1873
- Theodor Hermann Bernardus ✶07.07.1874 ✝19.11.1934
- Anna Albertina ✶29.07.1875 ✝25.12.1897
- Johann Eduard ✶29.03.1877
- Bernhard Theodor ✶23.06.1878
- Arnoldus Alexius Albert Johannes ✶16.07.1879 ✝03.01.1917
Auf dem Hof Stamm war es also den ganzen Tag über außergewöhnlich ruhig gewesen. Gegen 17 Uhr kehrte aber wieder Leben ein. Ketteler war nicht alleine aus Rhede gekommen. In seiner Begleitung befand sich Theodor Fehlings aus Ringenberg, um bei Stamm einen Zwischenstopp einzulegen. Er war Holzhändler und mit dem Waldbesitzer Ketteler gab es immer etwas zu besprechen. Zeitgleich kam auch Josepha mit Knecht Theodor und den kleinen Kindern aus Wesel zurück. Und schließlich kam Bauer Heinrich Rössing aus Krommert zufällig des Weges, um bei Stamm mal vorbeizuschauen.

Während Ketteler Johannas Verschwinden wenig kümmerte, hatte seine Frau Josepha ein ungutes Gefühl. Die Holzschuhe der Magd standen am Haus. Sie war offensichtlich ohne Klumpen unterwegs. Das war ungewöhnlich. Daher drängte Josepha ihren Mann, nachzusehen, wo die 25-Jährige denn bliebe. Ketteler blieb stur. Also bat Josepha den Fehlings und den Rössing, auf ihren Wegen nach Johanna Ausschau zu halten. Auch der Knecht Theodor beteiligte sich an der Suche.
Es war schon etwa 18 Uhr, als Theodor auf dem Acker Clemens traf. Sein Mitknecht war dort seit dem Morgen am eggen. Johanna sei verschwunden, berichtete ihm Theodor. Die Burschen setzen dann auf getrennten Wegen die Suche nach Johanna fort. Es ging auf 19 Uhr zu, als Clemens sich wieder an die Feldarbeit machte. Die letzte Stunde bei Tageslicht sollte noch ausgenutzt werden. Als der Tag sich neigte, spannte Clemens die Pferde aus und machte sich auf den Heimweg.
Johanna Triptrap wurde am 20.10.1849 in Dingden Berg geboren. Ihre Eltern waren der Ackerer und Tagelöhner Wilhelm Triptrap, geboren am 09.08.1816, und Margaretha Dickmann, geboren am 24.07.1809.
Johanna hatte noch zwei Geschwister:
- Bernardina Triptrap *10.11.1853, +21.05.1898 in Bocholt
- Henrich Wilhelm Triptrap *12.09.1847, +24.09.1886 in Gelsenkirchen Buer
Johanna verlebte Ihre Kindheit auf dem kleinen Kotten Wegelkamp, der zum Hof Bussmann, Berg Nr. 4, gehörte.
Johannas Mutter Margaretha Dickmann war in erster Ehe mit Henrich Wilhelm Langenhoff, gnt. Bussmann verheiratet. Aus dieser Ehe hatte Johanna vier weitere Halbgeschwister:
- Bernhard Heinrich ✶14.09.1833
- Anna Elisabeth ✶05.10.1839
- Christine ✶24.08.1832
- Heinrich ✶12.02.1844
Johannas Platz am Tisch blieb leer
Beim Abendbrot war die Hofgemeinschaft um den Tisch versammelt: Hausherr Ketteler, seine Frau Josepha, die Kinderschar, die Magd Gertrud und die beiden Knechte Clemens und Theodor. Der Platz der Magd Johanna blieb leer. Auch am nächsten Morgen blieb die junge Frau verschwunden. An diesem Dienstag standen Erntearbeiten auf dem Plan, die keinen Aufschub duldeten. Der Hafer sollte gemäht werden. Es blieb keine Zeit, sich um die verschwundene Magd zu kümmern. Noch immer glaubte Ketteler, dass es schon gute Gründe für das Fortbleiben gebe. Schließlich war sie alt genug. So verstrich der Dienstag, ohne dass Johanna wieder auftauchte.

Am Mittwoch begann auch Ketteler sich Sorgen zu machen. Beim Frühstück hatte er schon zu seinen Knechten gesagt, dass er nun endlich Zeit hätte, die Umgebung gründlicher abzusuchen. Über verschlungene Feldwege näherte er sich gegen 8:30 Uhr dem frisch geeggten Acker, etwa 500 Metern vom Hof entfernt. Knecht Clemens war dort mit der Fortsetzung seiner Arbeit beschäftigt. Am Acker vorbei ging Ketteler über den Feldweg auf eine Parzelle zu, die dicht mit Bäumen und Sträuchern bewachsen war.
Einer Eingebung folgend suchte sich Ketteler einen Weg durch das Strauchwerk. Nach etwa 20 Metern stoppte er und ein Schreck durchfuhr seine Glieder. An einem mächtigen Tannenbaum sah er einen leblosen Körper in Frauenkleidern hängen. Johannas Leiche, wie er sofort erkannte. Die Tote hing an einem Strick, gewunden um den Stummel eines Astes in etwa 1,50 Meter Höhe.
Ein Abschiedsbrief lässt tief blicken
In den Ästen des Baumes hing ein Stück Papier. Als Ketteler sich wieder gesammelt hatte, nahm er zögernd den Zettel. Dann laß er einen in einem etwas unbeholfenem Deusch verfassten Brief: „Ich habe mich darum ums Leben gebracht, weil ich von meinem Vater ein Kind haben muß. Ich habe mich schon vor bereits einem Monat ums Leben bringen wollen. Jetzt aber plagte mich das Gewissen aber so sehr, als ich hörte, daß andere Schuld daran wären. Das wollte ich nicht, denn die Ehre und guten Namen ist mehr wert als die ganze Welt. Tut meinem Vater kund, daß er sich doch bekehre und nicht zu der ewigen Verdammnis gelange und ich bin verdammt verdammt.“
Ketteler machte sich schnellen Schrittes auf dem Weg zurück, vorbei an dem eggenden Knecht Clemens. Der blickte aus einiger Entfernung noch kurz auf, sah aber nur, dass sein Dienstherr mit dem Papier in der Hand dem Hof entgegeneilte. Dort angekommen berichtete Ketteler seiner Frau und der Magd Gertrud von seiner furchtbaren Entdeckung. Dem Knecht Theodor trug er dann auf, Clemens Bescheid zu geben, damit dieser rasch die Pferde von der Egge abspannte. Theodor spannte sie dann vor dem Kutschwagen und machte sich auf dem Weg nach Rhede.
In Rhede sollte Theodor den Amtmann Albert Effing über den Leichenfund verständigen. Zuvor machte er noch rasch beim Nachbarn Hermann Möllmann vom Hof Stammshütte Halt. Seine Hilfe wurde ebenfalls gebraucht. Möllmann wurde damit betraut, die Leiche am Fundort zu bewachen, um sicherzustellen, dass kein Mensch und kein Tier sich daran zu schaffen machte. Kettelers Frau Josepha gab ihm noch ein Messer mit auf dem Weg. Den Anblick der hängenden Leiche konnte Möllmann aber offenbar nicht ertragen. Deshalb schnitt er mit dem Messer den Strick durch. Die Tote fiel zu Boden, wo sie vorerst liegen blieb.
Erste Untersuchungen beginnen
Gegen 16 Uhr traf endlich der Amtsmann Effing auf dem Hof Stamm ein. In seiner Begleitung befand sich der Bocholter Arzt Dr. von Bönninghausen. Diese beiden Herren begannen sogleich damit, sich einen Überblick von der Lage zu verschaffen. Ketteler und seine Frau Josepha führten sie zum Fundort der Leiche. Dort lag die Tote unter dem Baum, den Strick noch um den Hals geschlungen. Äußerlich wirkte sie unversehrt, abgesehen von den Spuren, die der Strick am Hals hinterlassen hatte. Was aber alle auf dem ersten Blick auch durch die Kleider erkennen konnten, das war die Schwangerschaft der toten Magd. Nachdem der Fundort gründlich in Augenschein genommen war, ordnete der Amtmann Effing die Bergung der Leiche an.
Die Männer brachten die Tote in eine etwa 100 Meter vom Stamm’schen Gehöft entfernt liegende verschließbare Brachhütte. Im Schutz dieser Hütte sollte die weitere Untersuchung erfolgen. Der Leiche wurden die Kleider vom Leib geschnitten und Dr. von Bönninghaus begann mit der äußeren Untersuchung. Auch hierbei konnte der Arzt keine weiteren Hinweise auf ein Fremdverschulden feststellen. Nach seiner Einschätzung war Johanna in der 26. Woche schwanger. Er kam schließlich zu dem Ergebnis, dass nichts dagegensprach, dass sich die Magd selbst das Leben genommen hatte. Weil sich der Tag allmählich neigte und in der Hütte das Licht immer dämmriger wurde, wurde die Tote mit Stroh bedeckt. Effing verschloss die Tür mit einem Amtssiegel und die weiteren Untersuchungen sollten am nächsten Tag fortgesetzt werden.
Eine Gerichtskommission übernimmt die Ermittlungen
Der folgende 19. August 1875 sollte für die Menschen in Nordbrock nicht weniger aufreibend werden als die vorangegangenen Tage. Am Morgen dieses Donnerstags traf eine Gerichtskommission auf Stamm ein. Dazu gehörten die Kreisrichter Franz Aloys Knappmeyer und Clemens Wernekinck, die beide dem Kreisgericht in Bocholt angehörten und fortan die Leitung der Ermittlungen übernahmen. Zuvor hatten die beiden Richter noch den Dingdener Gemeindevorsteher Wilhelm Sack mitgenommen.
Ketteler führte die Kommission zuerst zu der Hütte, wo sich die mit Stroh bedeckte Leiche befand. Den Herren der Kommission versicherte er, dass es sich dabei ohne Zweifel um die Leiche der Johanna Triptrap handelte. Sie wurde danach wieder mit Stroh zugedeckt und die Tür der Hütte wurden erneut versiegelt. Zwei Nachbarn wurden anschließend damit beauftragt, die Leiche zu bewachen.
Danach begab sich der ganze Tross zur Fundstelle der Leiche. Ketteler musste genau beschreiben, was er an dem Tannenbaum in dem Gebüsch hinter dem Acker wie vorgefunden hatte. In welcher Höhe die Tote am Baum hing, wie oft der Strick um den Ast geschlungen war, zu welcher Seite der Kopf geneigt war und dass die nackten Füße der Leiche schräg auf dem Boden aufsetzten und in die Richtung wiesen, aus der Ketteler gekommen war. Den Richtern war kein Detail so unscheinbar, dass es nicht auch von Belang sein könnte.
Nach der Besichtigung des Fundorts ging es zurück zum Hof. Die Richter ließen sich dort zunächst Johannas Schlafkammer zeigen. In ihrer Kammer befand sich ein Bett mit einer Strohmatratze. Der spärliche Nachlass der Magd bestand aus einigen Kleidungsstücken und einer verschlossenen Kiste mit ihren wenigen Habseligkeiten. Die Hausfrau Josepha händigte den Herren den Schlüssel aus und die Kiste wurde geöffnet.
Auf dem ersten Blick befand sich in der Kiste nichts, was in irgendeinem Zusammenhang mit dem Tod der Johanna stehen könnte. Ein paar trockene Zweige, die an Wacholder erinnerten, erwiesen sich allerdings als Sadebaum. Es war allgemein bekannt, dass die Nadelspitzen dieses Strauches dazu gebaucht werden konnten, um Abtreibungen auszulösen. Ob Johanna dies versucht hatte, war nicht mehr festzustellen. Fest stand allerdings, dass sich die junge Frau in einem großen Dilemma befunden hatte. Die Kiste wurde anschließen versiegelt und die Ermittler nahmen den Schlüssel in Verwahrung.
Die Bewohner auf Stamm werden vernommen
Die Richter forderten Ketteler auf, alle Hausgenossen zu benennen. Der Reihe nach wurden sie ausführlich zu den Vorfällen vernommen, beginnend bei dem Hausherrn selbst. Nochmals musste er genaustens das gesamte Geschehen schildern, von Johannas Verschwinden bis zur Entdeckung ihrer Leiche. Dass seine Magd schwanger war, war auch Ketteler nicht entgangen. Aber wer der Vater ihres Kindes sein könne, darüber wüsste er nichts. Gerüchte gäbe es viele. Einige besagten, dass sogar sein Knecht Clemens eine Affäre mit Johanna gehabt hätte. Diesem Gerede schenkte Ketteler jedoch wenig Glauben, denn dazu hätten der Knecht und die Magd viel zu häufig Streit miteinander wegen vermeintlicher Kleinigkeiten. Dass Wilhelm Triptrap, Johannas eigener Vater, damit zu tun haben könnte, dass könne er sich sehr wohl vorstellen, und selbst Clemens hätte diese Vermutung ihm gegenüber mal geäußert.
Auch Josepha berichtete von häufigen Streitigkeiten zwischen Johanna und Clemens. Aber dass die beiden intimen Umgang miteinander hätten, dass könne sie nicht bestätigen. Etwa fünf Monate zuvor sei Johanna einmal ein paar Tag unpässlich gewesen und hätte sich einige Male erbrochen. Das hätte sich aber später wieder gelegt. Zu Wilhelm Triptrap befragt wusste Josepha folgendes zu berichten: „Der Vater der Johanna ist im Februar nach Fastnacht auf Besuch bei seiner Tochter in unserem Hause gewesen. Er kam abends in der Dunkelheit, hat bei den beiden Knechten in der Nacht geschlafen und ist bis zum folgenden Mittag bei uns geblieben. Am nächsten Morgen ist er meinem Mann und Johanna bei der Arbeit behilflich gewesen. Nachdem mein Mann sich von ihm entfernt hatte, ist er mit seiner Tochter Johanna noch etwa ¼ Stunde zurückgeblieben. Was dabei vorgefallen ist, weiß ich nicht. Auch habe ich gar keinen bestimmten Verdacht, dass sich Vater und Tochter fleischlich begangen haben, aber beide stehen nicht im besten Ruf.“
Weil der Knecht Clemens der letzte war, der Johanna noch lebend gesehen hatte, war seine Aussage besonders wichtig. Er schilderte, dass er den ganzen Nachmittag mit dem Eggen des Ackers beschäftigt gewesen wäre. Gegen 16 Uhr hätte Johanna ihm dann den Kaffee zum Feld gebracht. Schon von weitem hätte er gesehen, wie sich die Magd ihm allmählich näherte. Aus der Ferne hätte er ihr noch zugerufen, dass sie vorne am Feld warten solle. Sie wäre aber den gesamten Weg am Feld entlanggelaufen, um ihn den Proviant am hintersten Ende des Feldes zu überreichen. Dann hätte sie sich wieder auf den Weg gemacht und er hätte sie schließlich aus den Augen verloren. Erst zwei Stunden später hätte er von Theodor erfahren, dass Johanna verschwunden wäre. Bei der anschließenden Suche wäre er auch in unmittelbarer Nähe des späteren Fundortes der Leiche gewesen. Dort wäre er ein paar Meter in die Büsche gegangen, um dort zu pinkelt. Gesehen hätte er aber nichts.
Auf die Frage, ob er wüsste, wer der Vater des Kindes sein könnte, verwies auch Clemens auf das kursierende Gerücht, dass ihr eigener Vater damit zu tun haben könnte. Dann wollten die Richter noch wissen, von wem Johanna wohl das Papier für ihren Brief bekommen haben könnte. Er antwortete, dass sie ihm vor einigen Wochen einmal um zwei Bögen gebeten hätte. Dieser Bitte sei er nachgekommen. Auf die Frage, woher der Bleistift stammen könnte, erklärte Clemens, dass er einen in seiner verschlossenen Kiste gehabt hätte und der Schlüssel dazu immer in seinem Stiefel versteckt sei. Dies hätte Johanna aber gewusst und seit einigen Tagen würde er seinen Bleistift vermissen.
Die Tochter geschändet vom eigenen Vater?
Für den Amtmann Effing schien der Fall zu diesem Zeitpunkt klar zu sein. Noch am gleichen Tage schickte er per Bote einem Zwischenbericht zum Stand der Ermittlungen an den zuständigen Staatsanwalt Albert Koppers nach Borken. Zu klären war vor allem die Frage, ob die Leiche zum Begräbnis freigegeben werden könne oder ob noch eine Obduktion vorgenommen werden sollte. Der Verdacht, dass sich Wilhelm Triptrap an seine eigene Tochter vergangen haben könnte, hatte im Laufe der Ermittlungen immer mehr Nahrung erhalten. Er lastete umso schwerer, weil dem Vater nachgesagt wurde, seine Stieftochter, Johannas ältere Halbschwester, schon zweimal geschwängert zu haben. Den Verdächtigten selbst konnte man jedoch noch nicht befragen. Der Dingdener Gemeindevorsteher Sack berichtete, dass dieser vor einigen Jahren aus Dingden fortgezogen war. Er würde sich angeblich in der Umgebung von Kettwig an der Ruhr aufhalten.
Aber wer könnte besser Auskünfte erteilen als die hochbetagte Anna Maria Brauer, die Witwe des Albert Kuhlmann. Brauer hatte ihr Leben lang als Hebamme in Dingden gewirkt und vermutlich mehr Geburten erlebt als irgendwer sonst im Dorf. Die 76-jährige Greisin war noch scharf bei Verstand und auch ihr waren die Gerüchte nicht verborgen geblieben. Sie gab folgende Aussage zu Protokoll:
„Ich habe wohl in letzter Zeit gehört, als man davon sprach, daß die Johanna Triptrap von ihrem Vater geschwängert sei. Von wem selbiges gesagt ist, weiß ich nicht. Die Stiefschwester der Johanna Triptrap, Elisabeth Elleringhoff, hat, wie mir bekannt ist, einmal außerehelich geboren, und zwar vor etwa 13 – 14 Jahre in Dingden. Ihre Mutter hat sie vor der Geburt nach der Vaterschaft des Kindes befragt und hat dieselbe in meiner Gegenwart geantwortet, daß auf dem Wege von Wesel nach Dingden ein Kerl sich an sie herangemacht und geschwängert habe, den sie nicht gekannt habe. Derselbe habe sie sündlich angesprochen und habe sie demselben den Beischlaf gestattet. Auch habe ich wohl gehört, daß die Elisabeth Elleringhoff früher noch einmal außerehelich geboren hat, jedoch nicht in Dingden, mehr weiß ich nicht. Über die Vaterschaft dieses Kindes habe ich nie etwas gehört. Daß der Stiefvater Wilhelm Triptrap der Kindsvater Elisabeth Elleringhoff gewesen sei, davon habe ich nie etwas gehört.“
Alles in allem brachte die Aussage der Hebamme weder Belastendes noch Entlastendes zu Tage.
Die Antwort des Staatsanwalt Koppers auf den Zwischenbericht ließ nicht lange auf sich warten. Noch am gleichen Tag forderte er die Anordnung einer Obduktion. Gleichzeitig machte er aber auch unmissverständlich klar, weiterhin in alle Richtungen zu ermitteln.
Alte und neue Erkenntnisse bringen die Wende
Am frühen Morgen des 20.08.1875 fand sich erneut die Gerichtskommission auf dem Hof Stamm ein. Diesmal wurden sie begleitet von dem Kreiswundarzt Dr. Wilhelm Sterneberg aus Bocholt und Dr. Clemens Others aus Borken. Die beiden Mediziner hatten den Auftrag erhalten, die Obduktion der Leiche vorzunehmen. Weil die Lichtverhältnisse in der Brachhütte dies nicht zuließen, wurde die Tote auf eine ausgehängte Tür gelegt und in einer offene Wagenremise aufgebahrt. Dort machten sich die Ärzte in Anwesenheit der Richter ans Werk.
Nach Abschluss der Außenbesichtigung wurde die Leiche nochmals von Zeugen identifiziert. Hierzu wurden der Reihe nach Ketteler, Gertrud Gröneboom und der Nachbar Heinrich Hegering aufgerufen, die alle zu Protokoll gaben, in der Toten eindeutig die Johanna Triptrap wiederzuerkennen. Die Innenbesichtigung konzentrierte sich vor allem auf das ungeborene Kind. Im Wesentlichen brachte die Obduktion allerdings keine tatsächlichen neuen Erkenntnisse hervor. So gaben die Mediziner zwei Feststellungen zu Protokoll: Johanna kam durch Erhängung und Erstickung zu Tode und das Alter ihres Kindes wurde auf sechs bis sieben Monate geschätzt.
Derweilen wurde die Vernehmung einiger weiterer Zeugen aus dem Umfeld der Toten fortgesetzt. So wurde die 19-jährige Johanna Margaretha Arntz befragt, die auf dem Nachbarhof Ebbert wohnte und arbeitete. Und ja, sie hätte davon erfahren, dass Johanna ein Kind von Clemens erwarten würde. Etwa zwei Wochen zuvor hätte sie den Knecht direkt mit diesem Gerücht konfrontiert. Dieser hätte jedoch alles abgestritten. Sie hätte aber gespürt, dass die Sache dem Clemens nahe ging. Auch hätte sie beobachtet, wie ihm dabei die Tränen in die Augen gestiegen wären
Ein weiterer Ansatzpunkt bei den Ermittlungen war der Brief, der bei Johanna gefunden wurde. Im Nachlass der Toten fanden die Richter keine Schriftstücke, anhand derer die Authentizität des Briefes zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Also wandte sich der Dingdener Amtmann Sack an die Dingdener Lehrerin Anna Wegmann, bei der Johanna jahrelang in die Schule gegangen war. Und tatsächlich fand die Lehrerin in ihren Unterlagen noch eine Schriftprobe ihrer ehemaligen Schülerin. Beim Vergleich mit dem Brief kamen den Ermittlern erhebliche Zweifel, dass dieser tatsächlich von Johanna geschrieben worden war.

Mit dem Gefühl, nahe am Ziel zu sein, knöpften sich die Ermittler gegen Mittag erneut Clemens vor. Sie forderten ihn auf, die verschlossene Kiste mit seinen Habseligkeiten zu öffnen. Der Knecht öffnete sie und verschiedene Schriftstücke kamen zum Vorschein. Clemens bestätigte, dass all die Papiere von ihm selbst beschrieben worden seien. Bei der weiteren Durchsicht stellten die Richter fest, dass aus einem Heft zwei Blätter herausgerissen waren.
Da hielten sie Clemens den bei Johanna gefundenen Brief vor die Nase, der auf dem gleichen Papier geschrieben war, aus dem das Heft bestand. Auf die Frage, ob er wüsste, wer den Brief geschrieben hatte und woher das Papier stamme, antwortete Clemens nur kleinlaut, dass er dazu nichts sagen könne. Da die Blätter offensichtlich aus dem Heft herausgerissen waren fragten sie nochmals, ob er es war. Dem Knecht stand der Schweiß auf der Stirn und er antwortet nur: „Ich weiß es nicht“. Den Richtern reichte es nun. Sie verhafteten Clemens wegen des dringenden Verdachtes, dass er die Magd Johanna umgebracht haben könnte.
Bernhard Clemens Tepass wurde am 12.01.1858 in Dingden geboren. Seine Eltern waren Wenzel Tepass, geboren am 22.08.1811, und Johanna Maria Demmer, geboren am 26.09.1818.
Clemens hatte noch drei Geschwister:
- Johann Gerhard, ✶28.09.1850
- Henrich, ✶18.11.1852
- Maria Aleida, ✶14.11.1855
Sein Vater starb bereits am 16.10.1858 und seine Mutter am 29.07.1864. Nach dem frühen Tod seiner Eltern verbrachte Clemens einige Jahre seiner Kindheit bei seiner Tante Adelheid Tepass in Dingden. Danach lebte er einige Zeit als Kuhhirte auf dem Hof Bernard Rölving, gnt. Epping in Krommert. Nach seiner ersten heiligen Kommunion kam er auf den Hof Stamm. Seine Schulzeit verbrachte Clemens in den Schulen in Dingden, Krommert und Nordbock.
Auf die Verhaftung folgt das Geständnis
Der Bocholter Gendarm Stemmer erhielt den Auftrag, Clemens von Nordbrock in das Bocholter Gefängnis zu überführen. Auf dem Weg hatte Clemens offenbar viel Zeit zum Nachdenken und begann damit, dem Gendarmen sein Herz auszuschütten. Der Ordnungshüter hörte sich das alles geduldig an und überzeugte Clemens schließlich, dass es das Beste sei, jetzt reinen Tisch zu machen. Deshalb brachte der Gendarm Clemens direkt in die Wohnung des Kreisrichters Knappmeyer, wo er ein umfassendes Geständnis zu Protokoll gab.
Clemens begann zu erzählen: Schon seit zwei Jahren hatte er intimen Umgang mit Johanna gepflegt. Das erste Mal war es an einem Sonntag nach dem Kirchgang gewesen. Auf dem Heimweg von Kloster Marienthal hatte er beobachtet, wie sich abseits des Weges ein Schmiedegeselle aus Nordbrock mit Johanna beging. Er hatte sich den beiden genähert, worauf der Schmied ihn gefragt hatte, ob er auch einmal wolle. Auf dieses Angebot war er eingegangen. Diesem ersten Mal folgten noch viele weitere Gelegenheiten, stets im Freien und nicht im Hause. Dass sich später noch andere Burschen oder womöglich der eigene Vater an ihr begangen hätten, konnte er nicht bestätigen. Er hatte zwar einmal beobachtet, dass Johanna im vergangenen Winter einmal allein mit ihrem Vater in einer Scheune war. Das war für ihn aber lediglich ein Anlass gewesen, den bereits kursierenden Gerüchten weitere Nahrung zu geben und so den Vorwurf der Unzucht gegen ihren Vater zu konstruieren.
Vor etwa zwei Monaten bemerkte er, dass Johanna schwanger war. Das erkannte er nicht nur daran, dass ihr Leib an Fülle zunahm, sondern er erfuhr es auch von Gertrud Gröneboom, der Johanna sich anvertraut hätte. Als ihm klar wurde, dass das Kind von ihm war, beunruhigte ihn dies sehr. Kurz war ihm der Gedanke gekommen, Johanna zu heiraten. Diesen hatte er aber schnell wieder verworfen, weil er sich weder imstand sah, eine Familie zu ernähren noch ihm die Magd recht bei Verstand zu sein schien. Als vor etwa vier Wochen die Neuigkeit von Johannas Schwangerschaft immer mehr die Runde machte, traf er den Entschluss, Johanna umzubringen und sich auf diese Weise seines Problems zu entledigen.
Mit dem dritten Versuch gelang der Mord
Etwa drei Wochen zuvor versuchte Clemens erstmals, seinen Entschluss in die Tat umzusetzen. Dazu nahm er die Scherbe eines alten Spiegels und schabte mit einem Messer das Quecksilber von der Rückseite ab. Aus einer Birne schnitt er ein kleines Stückchen heraus, füllt das Quecksilber hinein und verschloss danach die Birne wieder mit dem Stückchen. Noch am gleichen Abend bot er Johanna auf der dunklen Tenne die Birne zum Verzehr an. Sie hatte auch tatsächlich hineingebissen, aber dann sogleich die Birne fortgeworfen, weil sie ihr nicht schmeckte.
Ein paar Tage nach diesem fehlgeschlagenen Mordversuch machte sich Clemens auf den Weg nach Rhede zur Apotheke. Dort kaufte er für 6 Pfennige vergiftete Weizenkörner, die normalerweise für die Schädlingsbekämpfung vorgesehen waren. Erneut hatte Clemens eine Birne mit den vergifteten Körnern präpariert, um sie Johanna zuzuführen. Hierzu war es aber nicht gekommen, weil sich nicht die passende Gelegenheit ergab. Die Birne legte Clemens noch einige Tage in seine Kiste, bis sie verfaulte und er sie dann in den Abort verschwinden ließ.

Wieder einige Tage später fasste Clemens schließlich den perfiden Entschluss, sich die Magd durch Erdrosselung vom Halse zu schaffen. Einige Tage später verfasste er abends in seinem Bett den fingierten Brief und legte diesen zusammen mit dem Strick in seinen Koffer. Eine ganze Woche lang trug Clemens den Strick und den Brief in seiner Rocktasche mit sich herum. Ständig auf eine passende Gelegenheit lauernd, kam am besagten Montag schließlich der Moment, in dem er seinen teuflischen Plan ausführen konnte.
Die Magd hatte ihm geraden den Kaffee zum Feld gebracht, ihn wortlos abgestellt, sich umgedreht und gerade wieder ihren Heimweg angetreten. Blitzschnell sprang Clemens der nichtsahnenden Johanna hinterher, warf ihr die Schlinge hinterrücks um den Hals und zog sie damit zu Boden. An dem Strick schleifte er dann sein völlig wehrloses Opfer über den Acker, hin zu dem angrenzenden Gebüsch, um es dort an dem Tannenbaum aufzuknüpfen. Das alles war eine Sache von wenigen Minuten. Anschließend machte sich Clemens wieder in aller Seelenruhe zurück an seine Arbeit.
Richter Knappmeyer war fassungslos, als das Geständnis des 17jähigen zu Papier gebracht und von beiden eigenhändig unterschrieben war. Mit der gleichen Überlegung und Kaltblütigkeit, mit der Clemens den Mord an die Magd verübt hatte, hatte er jedes Detail seiner Tat mit einer Ruhe und Gelassenheit geschildert, als hätte es sich um einen harmlosen Jungenstreich gehandelt. Als er fertig war, wurde Clemens in das Bocholter Gefängnis überführt, wo er fortan auf seinen Strafprozess wartete.
Ein schneller und kurzer Prozess
Am 25. August konnte Johanna Triptrap endlich in Dingden begraben werden. Ob ihr Vater ihrem Begräbnis beiwohnte, ist nicht überliefert. Derweilen liefen die weiteren Untersuchungen auf Hochtouren. Clemens wiederholte und präzisierte nochmals sein Geständnis. Sämtliche Zeugenaussagen wurden genauestens protokolliert. Von Clemens ehemaligem Lehrer Heinrich Rickert, der inzwischen in Billerbeck wirkte, wurde ein Gutachten über seine geistigen Fähigkeiten eingeholt. Schon am 28.08.1875 waren sämtliche Ermittlungen abgeschlossen und es wurde Anklage erhoben. Die Anklageschrift wurden am 31.08.1875 an Clemens übergeben. Viel Zeit blieb dem Angeklagten danach nicht mehr, denn schon am 3. September wurde er an das Gefängnis nach Borken überführt.
Am Tag darauf kam es dann vor dem Borkener Kreisgericht zum Mordprozess unter dem Vorsitz des Richters Kayser. Richter Kayser eröffnete die Sitzung und vernahm zunächst den Angeklagten zu seiner Person und zu seinen persönlichen Verhältnissen. Als Zeugen waren Theodor Ketteler, seine Frau Josepha Färber und der Amtmann Effing geladen. Als medizinische Sachverständige waren Dr. Sterneberg und Dr. Others geladen. Zeugen und Sachverständige wurden anschließend aus dem Saal gebeten bis zu ihrem Aufruf.
Die Anklageschrift wurde verlesen und auf Beschluss des Gerichtes auch das Schulattest des Lehrers Rickert. Die wenigen Zeilen seines ehemaligen Lehrers ließen kein gutes Haar an seiner Person: „Was die Schulkenntnisse des Clemens Tepass angeht, so sind dieselben mangelhaft in Folge seiner Trägheit und Unlust zum Lernen. An geistiger Befähigung und Talent fehlte es ihm nicht. Seine Führung in der Schule war, wenn keine überaus schlechte, so doch eine solche, welche Besorgnis erregte, meinerseits für seine Zukunft.“
Es folgte die ausführliche Vernehmung des Angeklagten zum Tathergang. Dabei wiederholte Clemens im Wesentlichen seine protokollierten Geständnisse. Als erster Zeuge wurde der Amtmann Effing in den Zeugenstand gerufen. Nach dem Leumund des Angeklagten befragt unterstrich er, dass Clemens schon seit Jahren immer wieder die Grenzen des Anstandes überschritt: „Schon als Junge von weniger als 14 Jahren ließ er die Mädchen nicht in Ruhe.“ Die Aussagen Kettelers und seiner Frau brachten keine neuen Erkenntnisse hervor, sondern bestätigten im Wesentlichen die Anklage und die detaillierten Aussagen zum Tathergang.
Dr. Others traf als Sachverständiger die Feststellung, dass das Quecksilber, mit dem Clemens versucht hatte, Johanna zu vergiften, nicht ausgereicht hätte, ihr Leben zu gefährden. Nach Beendigung der Zeugenverhöre, folgte das Plädoyer des Staatsanwaltes Koppers. Er forderte für den jugendlichen Angeklagten die Höchststrafe von 15 Jahren. Clemens selbst gebührte das letzte Wort. Ihm blieb nur noch die Bitte um ein mildes Urteil.
Nach einer kurzen Beratung verkündete der Vorsitzende Richter Kayser das Urteil. Clemens wurde wegen Mordes zu 15 Jahren Haft verurteilt. Vom Versuch der Vergiftung wurde er indessen freigesprochen. In der Urteilsbegründung wurde die sittliche Verkommenheit des Täters hervorgehoben, der mit Überlegung und in bestialischer Weise ein Menschenleben ausgelöscht hatte. Allein das jugendliche Alter bewahrte Clemens vor der Todesstrafe.
Schuld und Sühne
Clemens nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis und es schien ihn wenig zu beeindrucken. Schon bei Verlassen des Gerichtssaales kommentierte er, dass die 15 Jahre auch mal irgendwann vergehen würden. Auch als Clemens gegen Ende des Monats aus dem Borkener Kreisgefängnis an seinen endgültigen Haftort nach Münster überführt wurde hatte er seinen Hochmut noch nicht abgelegt. Als man ihn fragte, wie es ihn im Kerker gefallen würde, war seine lapidare Antwort nur: „Ganz god, bin Buur mot ik üm 5 Uhr an de Arbeit, un hier kann ik bis 9 Uhr schlopen, datt pass mij bäter.“
In Münster verbrachte er die ersten acht Jahre seiner Haft. Im Oktober 1883 folgte dann die Überführung in die Strafanstalt Herford, wo er fünf weitere Jahre seiner Strafe absaß. Und Clemens sollte recht behalten: Die Jahre vergingen schnell. Nach nur 13 Jahren – im Oktober 1888 – wurde er vorzeitig aus seiner Haft entlassen.
Wenige Monate zuvor starb Johannas Vater, Wilhelm Triptrap. Am 14.01.1888 starb er im evangelischen Krankenhaus in Kettwig an der Ruhr. Der Knecht Theodor Gröneboom starb am 05.01.1890 in Haldern. Die Magd Gertrud Grönebohm heiratete am 18.11.1878 in Rhede und starb am 07.04.1899 in Krommert.
Die Familie Ketteler zog kurz nach der Geburt des jüngsten Kindes um etwa 1880 vom Hof Stamm ab. Sie bezogen Ihren Wohnsitz in Bocholt in der Wernerstraße. Dort starb am 10.05.1897 Theodor Ketteler im Alter von 65 Jahren. Seine Witwe, Josephina Färber, hatte zu diesem Zeitpunkt noch drei minderjährige Kinder. Deshalb schien es opportun zu sein, eine neue Ehe einzugehen. Sie heiratete am 27.05.1898 niemanden Geringeren als Clemens Tepass. Diese Heirat fand im Ruhrgebiet statt vor dem Standesamt in Bochum. Clemens arbeitete auf der dortigen Zeche Hannover als Bergmann und das Ehepaar wohnte zuletzt in der Burgstr. 10 in der benachbarten Stadt Wanne-Eickel.
Alt wurde Clemens jedoch nicht, denn am 14.06.1904 traf ihn das Schicksal. Er wurde er Opfer eines Grubenunglücks. Herabfallendes Gestein traf ihn so schwer am Kopf, dass er am gleichen Tag im Katholischen Krankenhaus in Eickel starb. Er erhielt ein christliches Begräbnis in der Gemeinde St.-Marien in Eickel und hinterließ außer seine Witwe Josephina Färber noch zwei Stiefkinder, die beiden jüngsten Kinder aus ihrer früheren Ehe. Josephina Färber war hingegen ein wesentlich längeres Leben beschieden. Sie starb hochbetagt im Jahr 23.06.1930 in Wanne-Eickel.

© H. Krasenbrink
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Quellen:
Hasper Zeitung, (01/09/1875) 87Westfälisches Volksblatt, 27 (08/09/1875) 170
Solinger Zeitung, 27 (29/09/1875) 115
Wattenscheider Zeitung, 36 (16/06/1904) 135
Kirchenbuch St. Pankratius, Dingden, KB006/Seite 147
Kirchenbuch St. Pankratius, Dingden, KB006/Seite 105
Kirchenbuch St. Pankratius, Dingden, KB008/Seite 149
Landesarchiv NRW Ostwestfalen-Lippe, P 6 / 3 (Standesämter Stadt Bochum), Nr. 1067
Kirchenbuch Eickel, St. Marien KB021-01-S/Seite 249
Kirchenbuch St. Georg, Bocholt, KB020/Seite 90
Kirchenbuch St. Pankratius, Dingden, KB004/Seite 99
Kirchenbuch St. Pankratius, Dingden, KB004/Seite 66
Landesarchiv NRW Ostwestfalen-Lippe, P 6 / 22 (Standesämter Stadt Wanne-Eickel), Nr. 498
Kirchenbuch St. Georg, Bocholt, KB031/Seite 158
Landesarchiv NRWOstwestfalen-Lippe, P 9 / 3 (Standesamt Stadt Bocholt), Nr. 196
Abbildungen:
Abbildung 1: Hof Stamm, Nordbrock: Quelle: Heimatverein Dingden
Abbildung 2: Auszug aus der Preußischen Uraufnahme von 1836 – 1850, abrufbar unter https://www.tim-online.nrw.de
Abbildung 3: Schriftprobe Johanna Triptrap aus Untersuchungsakte Landesarchiv
Abbildung 4: KI-generierte Illustration
Abbildung 5: Wattenscheider Zeitung, 36 (16/06/1904) 135
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