Alteingesessene Bocholter mussten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts hin und wieder die Augen reiben. Aus ihrer beschaulichen Kleinstadt war innerhalb weniger Jahrzehnte ein heißes Pflaster geworden. Wer sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt, konnte leicht in Schwierigkeiten geraten. Im März 1905 kam es zu einem traurigen Höhepunkt dieser Entwicklung.
In einer Frage waren sich die Alten schon immer einig: Die Jugend ist verdorben. Und nach dem, was sich in der Nacht des 19. März 1905 in Bocholt abgespielt hatte, fühlten sich viele erst recht in ihrer Meinung bestätigt. An diesem Sonntag war Josephstag. Hunderte Josefs, Jupps, Joops und Jöppes feierten ihren Namenstag. Und weil der Heilige Joseph der Schutzpatron der Werktätigen war, hatten auch alle anderen in der Arbeiterstadt Bocholt einen Grund zum feiern. Nach Erledigung der sonntäglichen Pflichten zog es massenweise die jungen Burschen und Männer in die Wirtshäuser, um sich dort weitaus weniger frommen Vergnügungen hinzugeben. Ungeachtet der Fastenzeit herrschte schon bald auf den Straßen und in den Kneipen der Stadt ausgelassene Stimmung.
Eine Stadt im Umbruch
Bocholt war im Jahre 1905 nicht mehr das, was es noch wenige Jahrzehnte zuvor gewesen ist. Im Zuge der Industriealisierung hatte die Stadt ihr Gesicht so rasant verändert, dass die älteren Bürger sie kaum wiedererkannten. Nicht nur die Häuser, Straßen, Eisenbahnen und Fabriken gaben Bocholt ein völlig neues Erscheinungsbild.
Auch die Menschen waren nicht mehr die gleichen. Inzwischen lebten in der Stadt schon über 23.000 Menschen und damit mehr als doppelt so viele wie noch 20 Jahre zuvor. Dieses kräftige Bevölkerungswachstum gründete nicht nur auf der hohen Geburtenrate dieser Jahrzehnte sondern auch auf die vielen Zugezogenen, die in den boomenden Fabriken der Stadt Arbeit und Brot fanden.
Die bis dahin moderat gewachsene und homogene Bocholter Bevölkerung wurde kräftig durchgemischt mit Arbeitsmigranten aller Couleur. Vor allem aus dem Bocholter Umland aber auch aus den benachbarten Niederlanden, Niedersachsen und vom Niederrhein kamen zahlreiche Arbeiter in die blühende Textilindustrie. Zudem zog ein nie gekannter Aufschwung am Bau zahlreiche Fach- und Hilfskräfte an.
Die Stadt wurde so zu einem Schmelztiegel verschiedener Milieus. Zwar war man noch weit entfernt von den in den Großstädten herrschenden Verhältnissen, aber auch Bocholt sah sich konfrontiert mit den negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung. Die sogenannte Soziale Frage, die viele Reformer des 19. Jahrhunderts beschäftigte, stellte sich daher auch in Bocholt. Geistlichkeit und Lehrerschaft wurden nicht müde, die Jugend immer wieder vor neuen Sitten und Unsitten zu warnen.
Oft genug wurden die Ermahnungen jedoch nicht erhört. Jugendlicher Übermut, Rivalitäten und der Alkohol führten immer wieder zu Konflikten, bei denen oft auch blanke Waffen gezückt wurden. Die Gewalt der Messerhelden, wie sie häufig bezeichnet wurden, nahm auch in Bocholt um die Jahrhundertwende besorgniserregende Ausmaße an, so dass der Ruf nach mehr Polizeipräsenz und härteren Strafen laut wurde.
Tumult im Süden der Stadt
Der große Bocholter Bedarf nach Ziegelsteinen wurde von den Ziegeleien in Lankern gedeckt. Hier entstanden auf halbem Wege nach Dingden ab dem Ende des 19. Jahrhunders die Ziegeleien der Unternehmer Lueb, Menting, Vallée, Orthaus, Scholten und Tacke. Ziegelherstellung war ein Saisongeschäft, das vom Frühjahr bis zum Herbst betrieben wurde. Dazu wurden vor allem aus dem Lipperland alljährlich über 100 Ziegler für die Saison angeworben.
Die Ziegler waren in einfachen Unterkünften am Rande der Lankerner Werke untergebracht. Auf jeweils sechs Werktage folgte Sonntags der Ruhetag. Vielen Zieglern war am Wochenende allerdings nicht nach Ruhe zumute, sondern sie tobten sich an ihrem freien Tag mit Vorliebe in den Bocholter Vergnügungslokalitäten aus. Hier wurde dem Alkohol reichlich zugesprochen und sie trafen auf andere Gruppen, die allesamt Gleiches im Sinne hatten.
Besonders lebhaft ging es am 19. März rund um das Gasthaus Telake an der Dingdener Chaussee zu. Das Gasthaus lag in der südlichen Feldmark auf halbem Wege nach Lankern. Deshalb hielten sich hier auch gerne die Ziegler aus den Ziegeleien auf. Schon seit dem Nachmittag kam es hier immer wieder zu Reibereien zwischen den Zieglern und Bocholter Fabrikarbeitern. Anfangs begnügten sich die rivalisierenden Gruppen noch mit gegenseitigen Provokationen. Mit steigendem Alkoholpegel kam aber bald schon zu ersten Handgreiflichkeiten.

Diese aufgeladene Stimmung war genau das, was den 22-jährigen Wilhelm Ellermann magisch anzog. Ellermann war einer jener stadtbekannten Messerhelden, der schon mehrfach unangenehm aufgefallen war. Mit breiten Beinen und großer Klappe war er stets auf der Suche nach der nächsten Keilerei, denn dabei konnte er allen zeigen, was für ein tüchtiger Kerl er war. So hatte er es bereits zu mehreren Vorstrafen wegen Körperverletzung und Beleidigung gebracht. Mit einigen Freunden, darunter die beiden Brüder Joseph und Franz Hake, war er mitten im Getümmel an der Dingdener Chaussee.
Gerhard Wilhelm Bernhard Ellermann wurde am 09.04.1882 in Rheine geboren. Seine Eltern waren der Maurer August Ellermann (*29.07.1860 in Osnabrück +06.02.1888 in Rheine) und Theresia Schulte (*03.11.1861 in Mesum). Sie heirateten am 30.08.1880 in Rheine. Seinen Vater hat Ellermann kaum gekannt. Auch von seinen vier Geschwistern überlebte nur der jüngste Bruder das Kleinkindalter. Die Geschwister hießen:
- Bernhard Wilhelm August *07.11.1880 +15.03.1881
- August Josef *04.10.1883 +20.03.1884
- Theresia Antonia Maria *21.05.1885 +06.04.1886
- Heinrich Josef *13.05.1887
Abends gegen 21 Uhr war Ellermann schon einigermaßen angetrunken und längt nicht mehr Herr seiner Sinne. Daher hatte er zunächst auch gar nicht bemerkt, dass er sich in einem Handgemenge mit den Zieglern eine Schnittwunde zugezogen hatte. Als er jedoch das Blut an seinem Kopf bemerkte, brannten ihm die Sicherungen durch. Rasend vor Wut begab sich Ellermann in das Gasthaus Telake um seine Leute dazuzuholen. Dass er dort seinen Kumpel Wilhelm Tüßfeld traf, kam ihm gerade recht, wußte er doch, dass er sich von ihm ein Messer leihen konnte. Schließlich konnte man nie wissen, ob einer dieser verfluchten Ziegler ihn noch einmal scheel ansehen würde.
Tüßfeld ahnte wohl Böses, als er Ellermann zunächst sein Messer nicht aushändigen wollte. Dann drang aber von draußen die Nachricht durch, dass Ellermanns Freund Joseph Hake von einem der Ziegler geschlagen worden sei. Ellermann nahm sich Tüßfelds Messer und stürzte damit in blinder Wut auf die Straße. Dabei wäre er beinahe dem Fabrikarbeiter Kaspar Heckers an die Gurgel gegangen. Dessen Braut und einige andere Bekannte konnten jedoch Ellermann zunächst beschwichtigen.
Auch der Fuhrknecht Heinrich Bockhorst suchte an seinem freien Tag das Vernügen im Gasthaus Telake. Der 22jährige Bockhorst war zusammen mit seinem Freund Karl Jansen in der Wirtschaft gewesen. Die gereizte Stimmung rund um das Gasthaus war ihnen aber nicht geheuer. Daher hatten sie gerade beschlossen, möglichem Ärger aus dem Weg zu gehen und sich auf dem Heimweg nach Bocholt zu machen. Bockhorst meinte noch zu seinem Freund: „Kumm an Karl, hier döcht et nich. Lot we bäter trüg noa Bokelt goan.“
Heinrich Anton Gerhard Bockhorst wurde am 18.01.1883 in Bocholt Feldmark geboren. Seine Eltern waren der Arbeiter Gerhard Bockhorst (*21.05.1839 in Ulft +13.10.1906 in Bocholt) und Johanna Beeking (*31.12.1841 in Aalten +21.04.1914 in Bocholt). Die Eheleute heirateten am 16.05.1867 in Gendringen. Die ersten Jahre lebte die Familie in Aalten. Um 1870 zog sie nach Bocholt und wohnte dort am Stenerner Weg.
Etwa 50 Meter vom Gasthaus Telake entfernt auf der Dingdener Chaussee wurde Bockhorst von Ellermann erblickt. Mit den Worten „Dort steht noch einer von den Ziegelbauern“ stürzte Ellermann auf ihn zu und versetzte ihn mit roher Gewalt einen Stich in den Hals. Bockhorst ging sofort schwer verletzt zu Boden, erhob sich dann aber wieder und wurde zurück in die Wirtschaft Telake geführt. Auf einem Stuhl sitzend verblutete Bockhorst binnen weniger Minuten. Ellermann hingegen machte sich sofort nach der Tat zusammen mit seinen Freunden auf dem Heimweg nach Bocholt. Seinen Kumpanen gebot er, zu schweigen: „Jungs, haltet den Mund, es ist nicht passiert, ihr müsst mich nicht verraten“.
Tumult auch im Norden der Stadt
Im Norden der Stadt war an jenem 19. März ebenfalls ordentlich was los in den Gasthäusern und auf den Straßen. Gegen Abend machte sich dort der Dachdeckergeselle Gerhard Sieverding auf den Heimweg. Seine Wohnung lag etwa 1,5 km entfernt in der Baustraße in der nordwestlichen Feldmark. Dem 42-Jährigen war in seinem Leben schon viel Unglück widerfahren. Seine drei Kinder waren allesamt im Kindesalter gestorben. Rund ein Jahr zuvor hatte er auch noch seine Frau verloren.
Johann Theodor Gerhard Sieverding wurde am 17.02.1863 in Bocholt geboren. Seine Eltern waren der Tagelöhner Gerhard Sieverding und Klara Leien. Sieverding heiratete am 24.05.1887 in Bocholt die aus Winterswijk stammende Maria van Dongen. Die Eheleute hatten drei Kinder:
- Johann Theodor *13.06.1887 +04.09.1887
- Anton Wilhelm *03.05.1889 *11.07.1889
- Johanna Henriette *09.01.1894 +10.06.1899
Seine Frau starb am 24.01.1904 in Bocholt.
Am Neuplatz vor dem Neutor, begegnete ihm erneut das Schicksal – diesmal in Person eines unbekannten Trunkenboldes. Was genau sich dann zutrug, konnte später nur vage rekonstruiert werden. Der Fremde trug einen schwarzen Mantel und einen Schlapphut. Er war offenbar stark alkoholisiert und suchte Streit. Sieverding kam ihm dabei gerade recht. Ein falsches Wort, ein schiefer Blick und schon begann der Unbekannte auf den Dachdecker einzuschlagen. Als sich Sieverding allerdings wehrte zog der Unbekannte sein Messer, stach auf Sievedings Kopf ein und fügte ihm schwerste Blessuren zu. Schließlich ließ der Unbekannte von seinem Opfer ab und ergriff die Flucht.
Sieverding lag schwerverletzt am Boden. Der Sattlergeselle Theodor Wellessen von der Nordstraße und der Arbeiter Gerhard Ernst von der Südmauer hatten das Geschehen beobachtet. Sie eilten dem Schwerverletzten zur Hilfe und brachten ihn in das nahegelegene Bocholter Krankenhaus. Hier wurde er ärztlich versorgt. Sieverding Verletzungen waren allerdings so schwerwiegend, dass er nach einem neun Tage andauerndem Kampf mit dem Tod am 28.03. verstarb.
Schnelle Festnahme im Fall Bockhorst
An den Tagen nach den Bluttaten am Josefstag herrschte in Bocholt nicht nur Katerstimmung, sondern blankes Entsetzen. Die Zeitungen der ganzen Provinz Westfalen und des Rheinlandes waren voll mit den Meldungen über die Messerstechereien in Bocholt. Wie nur konnte ein einfacher Festtag so entgleiten? Wie kann man den Messerhelden Einhalt gebieten?
Immerhin konnte schon nach kurzer Zeit der Öffentlichkeit Ellermann als der mutmaßliche Täter der Messerstecherei an der Dingdener Chaussee präsentiert werden. Noch am Abend der Tat war der Bocholter Polizei-Kommissar Wilhelm Korn bei Ellermann an der Tür erschienen und hatte ihn zur Rede gestellt. Ellermann leugnete allerdings die Tat und verwies stattdessen darauf, dass er doch gestochen worden sei. Die Tatwaffe wurde kurze Zeit später in der Nähe der Gaststätte Telake gefunden und konnte mit Ellermann in Verbindung gebracht werden. Ein umfassendes Geständnis seiner Tat konnte Ellermann allerdings nicht abgerungen werden. Die Verdachtsmomente waren aber ausreichend für eine Anklage.
So kam es drei Monate später, am 26. Juni 1905, vor dem Münsteraner Schwurgericht zum Strafprozess gegen Ellermann. Über 20 Zeugen sagten in diesen Prozess aus. Ellermann stritt in der Verhandlung zunächst weiterhin seine Täterschaft ab. Unter dem Druck der Beweislast räumte er aber im Laufe der Verhandlung seine Verantwortung ein. Das Gericht verurteilte Ellermann schließlich zu 5 Jahre Gefängnis und übertraf in seinem Strafmaß sogar noch die Forderung der Staatsanwaltschaft.
Langwierige Ermittlungen im Fall Sieverding
Bei der Aufklärung der anderen Gewalttat tappte die Polizei hingegen noch monatelang völlig im Dunkeln. Im April schaltete sich ein Münsteraner Untersuchungsrichter in die Ermittlungen ein. Am 14.04. begab er sich nach Bocholt, um den Tatort in Augenschein zu nehmen. Nennenswerte Fortschritte gab es allerdings nicht zu vermelden. Allerdings verhärteten sich die Hinweise, dass es sich bei dem Täter um einen Niederländer handelte. Daher konzentrierten sich die Ermittlungen auf die zahlreichen Niederländer, die entweder in Bocholt wohnten oder regelmäßig mit der Bahn aus den benachbarten Ortschaften Winterswijk, Aalten oder Lichtenvoorde zur Arbeit nach Bocholt pendelten.
Ins Visier der Ermittler geriet schließlich ein stadtbekannter Niederländer namens Gerhardus Johannes Groothuis. Für die Bocholter Ordnungshüter war Groothuis kein unbeschriebenes Blatt. Schon häufig war er als Draufgänger und Trunkenbold unangenehm aufgefallen. Groothuis wurde am 15.12.1881 in Haaksbergen als jüngstes von acht Kindern der Eheleute Johann Hendrik Groothuis und Johanna Lubberink geboren. Seine Mutter verstarb 1883 im Kindsbett eines noch jüngeren totgeborenen Geschwisterkindes. Nach der Wiederverheiratung seines Vaters folgten noch vier weitere Halbgeschwister.
In Bocholt fand Groothuis Arbeit als Handlager am Bau – und auch eine Frau, die Lagerarbeiterin Maria Bernardina Böing aus Tungerloh bei Gescher. Die beiden heirateten am 13.09.1904 in der St.-Josefs-Kirche in Bocholt. Die Ehe der beiden stand jedoch von Beginn an unter keinem guten Stern. Anstatt sich um seine ehelichen Pflichten zu kümmern zog es Groothuis meistens vor, die Aussteuer seiner Frau durchzubringen. Häufig ließ sich Groothuis tagelang nicht zu Hause blicken sondern verbrachte seine Zeit in Wirtshäusern. Kam er doch einmal nach Hause, dann brachen für seine Frau schwere Zeiten an.
Verhaftung in Enschede
Seit dem 19. März war Groothuis aber nicht mehr in Bocholt angetroffen worden. Durch sein Fernbleiben zog er erst recht das Interesse der Ermittler auf sich. Es sollte sich aber fast noch ein ganzes Jahr hinziehen, bis er mit niederländischer Amtshilfe ausfindig gemacht werden konnte. Im Februar 1906 gelang es, ihn in Enschede zu verhaften. Groothuis hatte sich gleich nach seiner Tat in die Nähe seiner alten Heimat abgesetzt und sich dort im Verborgenen gehalten.
Als niederländischer Staatsbürger wurde Groothuis nicht an die deutschen Behörden ausgeliefert. Stattdessen wurde er am 8. Mai 1906 in Almelo für seine Tat vor Gericht gestellt. Für diesem Prozess reisten etliche Bocholter nach Almelo, um dort als Zeugen vor Gericht auszusagen. Als Hauptzeugen waren der Sattlergeselle Wellessen und der Arbeiter Ernst geladen. Außerdem sagte der Bocholter Polizei Sergeant Otto Pitz von der Ostmauer aus und Dr. Richard Eckervogt von der Nobelstraße, der die Obduktion durchgeführt hatte.
Groothuis gab in diesem Prozess vor, sich an nichts erinnern zu können. Er sei an dem Abend einfach zu betrunken gewesen und könne daher die Tat weder abstreiten noch zugeben. Die Beweislast war aber schließlich so erdrückend, dass das Gericht schließlich keinen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten hatte. Groothuis selbst blieb nur noch der verzweifelte Versuch, seine Verantwortung auf den Alkohol zu schieben. Das Gericht konnte er damit nicht beeindrucken. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Seine anschließende Haftstrafe verbrachte Groothuis im Gefängnis in Arnheim. Nach seiner Haftentlassung zog es ihn zunächst wieder zurück zu seiner Frau Maria Böing, zunächst nach Bocholt und später nach Coesfeld. Für Böing wurden die Jahre 1909 und 1910 zu einem wahren Martyrium. Ständig wurde die arme Frau von ihrem Mann bedroht, geschlagen und gestoßen. Die erlittenen Misshandlungen waren so schwerwiegend, dass sie zwischenzeitlich sogar ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.
Von ihrem sauer verdienten Geld musste sie ihrem gewalttätigen Mann immer wieder einen Teil abgeben, um ihn milde zu stimmen. Gelang dies jedoch nicht, dann schreckte Groothuis auch nicht davor zurück, seine Frau mit dem Messer zu bedrohen. Erst am 18.01.1911 nahm die Tortur für sie ein Ende. An diesem Tag verkündete das Landgericht die Scheidung der Ehe, nachdem nicht weniger als fünf Zeugen glaubhaft vor Gericht dargelegt hatten, dass der Frau die Ehe nicht mehr zumutbar sei.
Gerardus Johannes Groothuis wurde nach der Scheidung als sogenannter lästiger Ausländer des Landes verwiesen. Am 18.09.1926 heiratete er in Haaksbergen ein zweites Mal, diesmal die am 01.05.1898 in Bocholt geborene Paulina Johanna Bouwmeester. Mit ihr hatte er vier Kinder. Er starb erst am 14.07.1967 im Alter von 85 Jahren in Enschede.
Wilhelm Ellermann kehrte nach Verbüßung seiner Haftstrafe Bocholt ebenfalls den Rücken. Er arbeitete zunächst als Bauarbeiter in Osnabrück. Am 12.01.1911 heiratete er in seiner Heimatstadt Rheine in der St.-Antonius-Kirche Katharina Schulte. Später wohnte er wieder in Osnabrück. Danach verliert sich seine Spur.
© H. Krasenbrink
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Quellen:
Münsterischer Anzeiger 47 (26/01/1898) 23
Westfälischer Merkur 84 (21/03/1905) 145
Bielefelder Volkszeitung (22/03/1905) 67
Dülmener Zeitung 32 (30/03/1905) 38
Schwerter Zeitung 37 (15/04/1905) 90
Münsterischer Anzeiger 54 (26/06/1905) 404
Münsterischer Anzeiger 55 (11/05/1906) 317
Kirchenbuch St. Josef Bocholt, KB 003/Seite 72
Kirchenbuch St. Georg Bocholt, KB026/Seite 216
Kirchenbuch Liebfrauen Bocholt, KB003/Seite 234
Kirchenbuch Liebfrauen Bocholt, KB003/Seite 209
Kirchenbuch Rheine St.Dionysius, KB017/Seite 140
Kirchenbuch Rheine St. Antonius KB002/Seite 35
Kirchenbuch Bocholt St .Josef, KB002/Seite 57
Provinciale Overijsselsche en Zwolsche courant, 10.05.1906
Provinciale Overijsselsche en Zwolsche courant, 13.06.1906
Abbildungen:
Abbildung 1: www.facebook.com/BocholterPortal
Abbildung 2: Stadtarchiv Amsterdam
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